Stufe 4 1120-1467Km Lancut, Lwiw. In der Stadt der Löwen

Das Schloss Lancut (auf deutsch tatsächlich Landshut)

Das Badezimmer der Potockis hat es Jörn echt angetan

Schlossgarten

Wir kommen an die polnisch-ukrainische Grenze. Ich habe ein leicht mulmiges Gefühl… So ganz anders als am Vortag, als wir ganz entspannt in die polnische Geschichte im Schloss Łańcut eingetaucht sind. Das kennt man gar nicht mehr so richtig, dass man an der Grenze warten muss. Es lebe die EU! Die Autoschlange bewegt sich nur sehr langsam vorwärts. Dabei haben wir schon einen kleinen Grenzübergang ausgesucht, Budomierz anstatt Korczowa, um lange Wartezeiten an der Grenze zu vermeiden. Endlich. Wir sind dran. Der Grenzbeamte schaut sich unser Auto genau an. Inspiziert Fächer und Stauräume. Die Grenzer sind hier sachlich, professionell, distanziert, aber auf jeden Fall freundlich… Dennoch, das mulmige Gefühl verstärkt sich… Ich erinnere mich an die Grenzübertritte als ich noch ein kleines Mädchen war. Da gab es noch den Eisernen Vorhang; Schäferhunde und Stacheldraht an der Grenze; unüberwindbare Gräben zwischen Ost und West. Danals war noch Oberschlesien in Polen mein Zuhause und der Westen ein Paradies, in dem wir einmal im Jahr die Familie besuchen durften. „Haben Sie Waffen dabei?“ fragt der ukrainische Beamte und da wird mir wieder bewusst, dass wir in ein Land einreisen, das sich genau genommen im Kriegszustand befindet. Andere Ukrainer, die an der Grenze mit uns auf die Einreise warten, zeigen sich sehr interessiert und wollen wissen, wohin wir fahren… Wir kommen ins Gespräch – auf Polnisch, Russisch und mit Händen und Füßen. Am Ende schütteln sie lächelnd den Kopf und fragen, warum wir nicht den Flieger genommen hätten.  Wir bekommen unsere Stempel in die Pässe.

Defintiv im Osten !

Nach nur wenigen Metern auf ukrainischem Boden werden die Strassen mit jedem Meter, den wir zurück legen, schlechter. Man kommt nur im Schneckentempo voran. Strasse kann man das nicht nennen, eine Ansammlug von Schlaglöchern schon eher. Kühe laufen über das, was man hier Fahrbahn nennt. Wir überholen ein Pferdefuhrwerk. Die Dörfer, die wir durchfahren, sind arm. Bunte und gepfegte Gärten vor den einfachen Häusern zeigen jedoch, dass es sich die Menschen schön zu machen versuchen – mit den wenigen Mitteln, die sie haben. Mein mulmiges Gefühl wächst und wächst... Ich hab durchaus vieles mitgemacht: Einfaches Backpacking in Asien, simple Verhältnisse auf Kuba, Übernachtungen im Auto auf Reisen in meiner Studentenzeit – ich bin wirklich alles andere als eine Prinzessin… Aber wenn man Mama ist, ist man irgendwie nicht mehr ganz so mutig und abenteuerlustig wie früher, so geht es mir zumindest. Ich frage mich nun:  Was wollen wir hier soweit im Osten? Warum haben wir unser Kind an diesen Ort gebracht, wo es so viel Armut gibt? Kurz zweifele ich an der Route, an der Sinnhaftigkeit unserer Unternehmung… Kurz sehne ich mich nach malerischen italienischen Dörfern und gepflegten österreichischen Campingplätzen.

Nun, gut, dass Jörn schon mal hier war. Es wird besser, sobald wir in Lviv / Lwow / Lemberg sind, beruhigt er mich. Und, was soll ich sagen: Er hat Recht behalten. In der zweitgrößten ukrainischen Stadt nach Kiew habe ich mich schnell wieder gut gefühlt. Es ist eindeutig eine k.u.k.-Stadt, die einstige pulsierende Metropole an den Handelswegen zwischen Ost und West, Nord und Süd. Fast 600 Jahre lang haben hier verschiedene Völker und Kulturen friedlich zusammen gelebt: Polen, Ukrainer, Russen, Deutsche, Juden, Rumänen und Armenier. Ob das heute genauso möglich wäre? Was für ein Geschenk für eine Stadt, so viele Kulturen zu beherbergen. Die verschiedenen Einflüsse haben aus Lviv eine Kostbakeit gemacht, die die UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt hat. Bemerkenswert: Im Prinzip wurde die gesamte Bevölkerung nach dem 2. Weltkrieg „ausgetauscht“: Vor dem Krieg lebten v.a. Polen und Juden in der Stadt, heute leben hier zu 90 % Ukrainer.

Die Stadt ist nicht herausgeputzt, aber sehr gut in Schuss – und vor allem voller Leben und voller netter Menschen. Viele kleine Lädchen und Cafés laden zum Bummeln ein.

Pralles Leben in den Strassen

Hippiebus. Made in Poland

UNESCO World Heritage Site

Samstags wird auch in der Ukraine fleißig geheiratet. Lviv ist dann voller Brautpaare und dient als Kulisse für Hochzeitsfotos.

Unter ukrainischem Himmel, der sich übrigens symbolisch auch in der Landesfahne findet: Das Gelb steht für die reifen Kornfelder der Ukraine, das Blau für den Himmel.

An jeder Strassenecke in Lviv wird musiziert oder getanzt. Und: Es gibt noch keine Zaras, H&Ms und Starbucks, was wir als sehr erfrischend empfinden. Zugegeben: Die Stadt muss noch einiges tun, damit sich Touristen besser zurecht finden – so braucht es zum Beispiel mehr Beschriftungen in englischer Sprache. Aber die junge Bevölkerung, optisch kaum mehr von der in Berlin, Barcelona oder Budapest zu unterscheiden, spricht hervorragend Englisch – und wenn man fragt, dann kommt man automatisch mit den Leuten ins Gespräch. Wir bleiben hier länger als geplant, weil es so schön ist. Und der Komfort in unserem Hotel Modern Art für 30€ die Nacht inklusive Frühstück sowie das leckere und preiswerte Essen (z.B. traditionell in Puzata Hata tragen ihren Teil dazu bei. Ach ja, eines habe ich noch vergessen: Ich war noch nie in einer Stadt mit so viel Kopfsteinpflaster unterwegs – wenn man einen Buggy schiebt, kann das schon mal nerven. Die ukrainischen Frauen jedoch stören sich offenbar weniger daran: Viele von ihnen sind auf Schwindel erregenden Highheels unterwegs.

Alles andere als blumige Aussichten. Das Leben ist sicher nicht einfach hier. Aber die Sträuße finden viele Abnehmer.

Remont – das bedeuet auf russisch und polnisch einfach, dass etwas nicht funktioniert, ggf. auch mal irgendwann repariert wird. Er reapriert hier seine Fenster

Er beobachtet den Verkehr

Was ist hier los?

Die Allee vor der Oper ist immer voller Leben. Hier tragen auch diese Herren ihre Partien aus. Schach – einach ein Klassiker in der gesamten Ex-Sowjetunion. Die Zuschauer waren derart gespannt dabei, dass es knisterte…

Wohin des Weges die Damen ?

Die waren richtig cool – 2 Saxophonisten und ein Schlagzeuger rocken den Rynok Platz…

… während ein paar Meter weiter, das Setting ehr traditionell ist: Junge Leute spielen ukrainische Volksmusik. Ergreifende slawische Meldodien.

Spaß haben wir echt viel bisher 🙂

Das hätte unser Hotel sein müssen – Hotel LEOpolis !

Tip 4: Lasst Euch nicht zu sehr von der verständlichen Vorausplanung treiben. Ja, auch wir hatten einige für die erste Zeit Übernachtungen im Voraus geplant und gebucht, wie z.B das tolle Hotel hier in Lemberg. Doch spontan haben wir uns entschlossen eine Nacht länger zu bleiben – weil es einfach passt und gefällt. Da sollte immer drin sein.

Internet: Gute Seite über Lviv findet Ihr hier

 

2 Gedanken zu „Stufe 4 1120-1467Km Lancut, Lwiw. In der Stadt der Löwen

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